Unsere ehemalige Praktikantin Marie-Pauline Meyer hat einen Artikel über die Hl. Katharina vom Siena für die Münchner Kirchenzeitung geschrieben. Sobald dieser veröffentlicht ist, liegt die Zeitung auch bei uns in der Kirche aus (Juli 2023).
Mitten im Gedränge der engen Gassen von Siena hat es Katharina gepackt. Sie bleibt wie angewurzelt stehen, den Blick gebannt auf die Kirche San Domenico geheftet: Katharina sieht Jesus Christus in prunkvollen Gewändern auf einem königlichen Thron sitzen, mit einer Tiara auf dem Kopf. Er schaut sie an, lächelt ihr zu und segnet sie. Katharina ist sieben Jahre alt. Dies ist ihre erste von unzähligen Visionen. Immer wieder wird ihr Christus erscheinen und mit ihr sprechen.
Caterina Benincasa heißt sie auf Italienisch und wird 1347 in Siena in eine große Familie hinein geboren. Dem Vater gehört eine Färberei. Leider gibt es viel Elend in ihrer Zeit: Die Städte in Italien führen Krieg gegeneinander. Auch in Siena gibt es schwere Kämpfe. Dazu grassiert im ganzen 14. Jahrhundert in weiten Teilen Europas noch die Schwarze Pest.
Als sie 12 Jahre ist, schmiedet ihr Vater Heiratspläne für sie, aber Katharina ist wild entschlossen, ihr Leben Jesus Christus zu schenken. Um einer Heirat zu entgehen, schneidet sie sich kurzerhand die Haare ab. Daraufhin muss sie der ganzen Familie als Magd dienen. Erst mit 18 darf sie als Mantellatin in den dritten Orden der Dominikaner eintreten.
Katharina wird eine wichtige, große Mystikerin. Mystik zielt auf eine Einswerdung mit Gott, die bereits im Hier und Jetzt geschehen kann. Sie hat immer ein ganz besonderes „Bewusstsein von Gottes unmittelbarer Gegenwart“. Katharina brennt so in Liebe zum Nächsten, dass sie für jeden in Freude für dessen Sünden büßen und Schmerzen leiden möchte, um seine Seele zu retten. Katharina betet wie eine Kämpferin, weil ihr Glaube an die Kraft des Gebetes grenzenlos und unerschütterlich ist. Gott scheint gerade ihre Gebete besonders oft zu erhören. Aus ihrer ständigen Begegnung mit Christus heraus kann sie vielen Menschen Ratgeberin sein, Hilfe leisten, ermahnen, zu Christus und zur Liebe zur Kirche hinführen. Die Kirche aber ist im Verfall und verweltlicht. Aus Angst vor seinen Gegnern ist der Papst mit seinem üppigen Hofstaat von Rom nach Avignon geflüchtet. Dahin schickt Gott Katharina als sein Werkzeug. Der Gewalt ihres Wortes kann sich niemand entziehen. Das ahnt man beim Lesen ihrer 373 erhaltenen Briefe. Sie sind an zwei Päpste (Gregor XI in Avignon und Urban VI), an Würdenträger, Mitbürger, Weltpriester und Ordensleute gerichtet. Papst Gregor XI, der in Avignon residierte, hat sie durch Briefe und Besuche bewegen können, nach Rom zurückzukehren. Sie hat es damit geschafft, eine Spaltung der Kirche aufzuhalten.
Oft gerät Katharina in Exstase. Als sie sich zum Beispiel wünscht, dass ihr Herz noch aufnahmefähiger für Gottes Willen wird, erscheint ihr Jesus, während eines Gottesdienstes, öffnet ihre Seite und tauscht ihr Herz gegen sein eigenes Herz ein. Diese intensiven Visionen und Zwiegespräche mit Gott fasst sie später in einem Buch mit dem Titel „Dialog“ zusammen.
Am Ende ihres Lebens hat Katharina noch eine letzte bedeutende Vision: Betend in der alten Petersbasilika fällt sie zu Boden, als ob eine ganze schwere Last sie gewaltig niederdrückt: als ob Jesus Christus das volle Gewicht seiner Kirche auf die schmächtigen Schultern seiner getreuen Braut legt, die nie aufgehört hat für die Kirche alles zu geben. Sie stirbt im Jahr 1380 mit 33 Jahren.
Die größte Frau des Christentums, so nennen die Italiener Katharina von Siena. Prophetin des Friedens. Mystikerin. Sie ist die Schutzpatronin Sienas, Italiens, Europas und der Dominikaner-Terzianerinnen. 1970 bekommt sie den Ehrentitel „Kirchenlehrerin“ und 1999 „Patronin Europas“.